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Chaiserstock II

Chaiserstock
"Cyndarella" 6c+, 6 SL
"Yellowstone" 6c, 4 SL
"Verschlossene" 5c, 7 SL

Ein kletterreicher Tag am Chaiserstock! Auf Wunsch von Beat, der gerne ein Date mit der neu sanierten "Cyndarella" geniessen möchte, pilgern wir gemütlich durch die bezaubernde Geländekammer der Lidernen.
Die Temperaturen sind angenehm zum Wandern und unser Tempo darf als gemächlich bezeichnet werden. So überholen uns im Höllentempo ein paar Jungspunde auf dem Weg zum Chaiserstock. Wit trösten uns damit, dass unsere Rucksäcke doch deutlich schwerer wiegen als die mageren Lunchbeutel der gehetzten Zeitgenossen.

Gut 90 Minuten später machen wir uns im Schatten der Wand für die anstehende Kletterei bereit. Im Gegensatz zum Tag der Sanierung vor rund zwei Wochen ist nun alles wunderbar trocken. Beat packt ohne zu zögern das scharfe Seilende und legt wenig später Hand an die "Cyndarella". Sie zeigt sich widerspenstig, kühl und unnahbar. Beat stört das nicht sonderlich, jammert aber nach wenigen Minuten über die unerwartete Gefühlslosigkeit. Dies betrifft aber seine Fingerspitzen, die er kaum mehr spürt. Tasächlich ist der Fels unangenehm kalt, was Kurt und ich im Nachstieg schon bald selber bemerken.

Wir harmonieren wie gewohnt ohne Probleme und erreichen schon bald die Plattenstelle der 4. Seillänge. Die Sonne versteckt sich noch immer hinter dem Gipfel. Durch die Kletterei sind wir aber ein bisschen aufgewärmter als noch zu Beginn der Tour. Souverän steigt Beat über die plattige Sequenz. Anhand umfangreicher Magnesiaspuren muss dies am Vortag einem Protagonisten deutlich schwerer gefallen sein. Beim 3. Bohrhaken enden die weissen Striemen abrupt, sind aber rechts unten bei einem breiten, grasigen Riss wieder deutlich erkennbar. Scheinbar war ein Seilquergang die einzige machbare Lösung für den Vorsteiger. Der Zweck heiligt die Mittel.
In der letzten Seillänge erreichen uns dann endlich die ersehnten Sonnenstrahlen. So lässt sich die nominelle Schlüsselstelle etwas angenehmer klettern. Wir seilen umgehend über die Route ab, da am Ausstieg ein giftiger Nordwestwind bläst. Mit Bedacht räumen wir noch ein paar Steine aus der Wand, wobei wir stets auf die unten vorbeiziehenden Wanderer achten müssen. Das Znüni nehmen wir dann am Einstieg der "Yellowstone" zu uns, liegt dieser Bereich doch schon in der Sonne.

Die von Hans Gisler im gesicherten Alleingang von unten erstbegangene Route "Yellowstone" zieht beeindruckend in die Höhe. Der namensgebende, gelbliche Fels in diesem Bereich sieht auf den ersten Blick furchtbar brüchig aus. Er ist es teilweise auch, jedoch hat Hans mit viel Fleiss das lose Zeugs aus der Wand bugsiert. Die erste Länge wird durch eine leicht überhängende Rissverschneidung geprägt. Der Riss verjüngt sich kurz vor dem Stand, bietet noch einen letzten Untergriff, bevor man sich beherzt auf das Standplätzchen hochpushen muss. Beat räumt im Nachstieg einen Griff aus, was in kurz ins Seil plumpsen lässt.

Die zweite Länge ist etwas einfacher bewertet, verlangt aber eine solide Vorstiegsmoral. Mit einem Camalot entschärfe ich den grössten Hakenabstand und gelange in zunehmend bombastischeren Fels. Die Griffe sind rau und henkelig. Das Höhersteigen dementsprechend mit viel Freude verbunden. Etwas verwirrend ist kurz ein Bohrhaken der benachbarten Route, deren 1. Seilänge noch im Projektstatus ist und von Hans auf "Sissi" getauft wurde. Der obere Teil dieser "Sissi" ist aber scheinbar schon freigegeben, wie das Topo auf bildhauen.ch verrät. Wir nutzen daher diese rechte Variante, die einerseits sehr verlockend aussieht und anderseits klettertechnisch auch mehr fordern sollte.

Tatsächlich entpuppt sich diese Länge deutlich kniffliger, als es den Anschein macht. Der Fels ist phänomenal rau und bietet ein paar versteckte Tropflöcher. Der Rechstquergang aus einer Nische ist dann wieder ein Balanceakt, bevor der abschliessende Riss eine Portion Ausdauer erheischt. Ich bin ziemlich ausser Atem, als ich den Stand erreiche. Um ein Haar wäre ein "Tolgen" ins Reinheft geschlüpft, als mir der Fuss auf einer Korallenstruktur kurz wegbricht.

Nochmals viel Freude bereitet uns die Schlusslänge an messerscharfen Schuppen, die an der Gipfelkante oben endet. Das war nun wirklich eine sehr genussvolle Klettertour. Besten Dank an Hans für die gelungene Erstbegehung.
Mit zwei langen Abseilmanövern stehen wir bald wieder am Wandfuss unten. Es ist kurz vor 15 Uhr. Die Seilbahn fährt bis 19 Uhr. Das sollte noch für eine weitere Route und ein Bier auf der Lidernenhütte reichen. Wir dislozieren zum Einstieg der "Verschlossenen" und seilen uns gleich wieder an.

Indem ich im unteren Teil jeweils 2 Seillängen zusammen hänge, gewinnen wir rasch an Höhe. Die von Altmeister Franz Anderrüthi entdeckte Route ist sehr lohnend und in diesem Grad fast ein Juwel. Uns macht es auf jeden Fall riesig Spass so entspannt durch den festen Fels zu turnen. Alles läuft reibungslos; auch das zweimalige Abseilen über die "Rampen-Abseilpiste". So sind wir nach 1h 45m bereits wieder bei unseren deponierten Rucksäcken am Einstieg unten.
Auf dem Heimweg beschwingt uns der Gedanke an das kühle Bier in der Lidernenhütte. Leider müssen wir dann erfahren, dass an diesem Tag eine Frau am Schmalstöckli beim Abseilen tödlich verunglückt ist. So nah liegen Freud und Leid beeinander. Den Angehörigen wünsche ich viel Kraft in diesen schweren Stunden.