19. Januar 2025
Kokkinóvrachos Central / Mehrseillängen-Klettern
"Ramisi Rock" 7a, 6 SL
Der Hausberg von Leonidio mit seiner markanten Flagge am Gipfel besticht durch seine rötliche Südwand, die jeweils im Abendlicht zu gühen scheint. In der rund 200 m hohen Wand rechts von der Flagge verlaufen zahlreiche lohnende Linien in bestem Fels. Die steilen Linien bestechen durch ihre gute Absicherung, interssanten Kletterpassagen und einer bequemen Erreichbarkeit direkt von unserem Hotel.
Da endlich stabiles und vorallem milderes Wetter angesagt ist, entscheiden wir uns für eine Mehrseillängen-Tour am Kokkinóvrachos. Die Wahl fällt auf "Ramisi Rock", die im Jahr 2018 als erste Route in diesem Wandbereich eröffnet wurde. Mit der "Mira" konnten wir bereits 2023 in dieser Wand erste Erfahrungen sammeln. Die damaligen Impressionen sorgten für grosse Lust auf weitere, spannende Routen. Der halbstündige Weg zum Einstieg sorgt für angenehme Betriebstemperaturen. Rasch sind wir auch startklar für die erste Seillänge.
Souverän steigt Beat die ersten, zunehmend steiler werdenden Passagen zum kleinräumigen Standplatz hoch. Ich bin froh, kann ich direkt in den zweiten Abschnitt starten und überlasse Beat das schmale Sims zur alleinigen Nutzung. Ein abdrängender Quergang an seichten Griffen pumpt mir ordentlich Blut in die Unterarme. Im Mittelteil dieser Länge kann ich mich etwas erholen, bevor kurz unter dem nächsten Sicherungsplatz nochmals eine boulderlasige Stelle vollen Einsatz erheischt. Völlig ausser Atem klinke ich mich an die soliden Bohrhaken und sichere Beat nach. Diese verdiente Pause tut nach rund achtzig Nonstopp-Klettermetern einfach gut.
Es geht im ähnlichen Stil weiter: steil, technisch fordernd und das Ganze bestückt mit messerscharfen Griffen. In der vierten Länge stehe ich vor einer kompakten Pfeilerwand und zweifle ernsthaft an der Machbarkeit der nun folgenden Passagen. Vor Ort zeigen sich dann aber perfekt platzierte Löcher und Henkel, die von unten nicht ersichtlich waren. Eine hammermässige Seillänge!
Von der Optik her ebenso eindrücklich entpuppt sich der fünfte Teilabschnitt. Beat muss luftig an eine Kante hinausqueren und dabei seine Finger wohlüberlegt sortieren. Von meiner Warte aus sieht diese Stelle brutal schwer aus. Beat kann aber dank vielen versteckten Griffmöglichkeiten locker durchklettern. Die sechste und letzte Länge ist gleich vom Stand weg nochmals anstrengend und unübersichtlich, dann aber legt sich die Wand etwas zurück und entlässt uns mit ein paar milden Kletterzügen. Das war jetzt wirklich eine traumhafte Kletterei, sind wir uns beide einig.
Ein paar luftige Abseilmanöver sowie ein gimpflich zu lösendes Problem mit einem Seilklemmer später, machen wir uns auf den Abstieg. Das plötzliche und insgeheim erhoffte Wiedersehen mit unserem gepanzerten "Freund" sorgte für Freude. Ob es sich tatsächlich um die gleiche Schildkröte handelt, die wir schon vor zwei Jahren am Wandfuss entdeckten, können wir nicht mit Bestimmtheit sagen. Auf jeden Fall sollten wir sie drei Tage später wieder antreffen...